Körpersprache für Hundehalter
Der Oberkörper
Freund oder Feind? Die Haltung des Oberkörpers ist aussagekräftig, was diese Frage angeht. Und auch die Schultern sprechen eine klare Sprache. Beste Voraussetzungen, den Körper gezielt für den wortlosen Dialog mit dem Hund einzusetzen.
Frontal ausgerichtet oder seitlich abgewandt? Die aktuelle Position des Oberkörpers gibt einem Hund eindeutige Signale. Gut nachvollziehbar. Man muss sich nur einmal vorstellen, welche Empfindungen man hat, wenn sich ein anderer mit zügigem Schritt direkt auf uns zubewegt. Wir wissen sofort, dass er es auf uns abgesehen hat.
Wir stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Anspannung steigt. Nähert sich jemand mit seitlich abgewandtem Oberkörper an, fühlen wir uns höchstens indirekt angesprochen. Diese Haltung wirkt allerdings auch weniger bedrohlich. Bei Hunden ist das nicht anders. So reagieren unsichere Vierbeiner entspannter, wenn der Trainer nicht direkt auf sie zugeht, sondern sich seitlich nähert. Das Zutrauen lässt sich noch weiter steigern, wenn er sich nicht von vorn auf den Hund zubewegt, sondern dessen Schulter ansteuert. Diese Form der Annäherung wirkt unbedrohlich.
Warum das so ist, lässt sich nachvollziehen, wenn man sich mit der T-Stellung des Hundes befasst, einer Form des Imponiergehabes. Hierbei blockiert ein Hund frontal einen Artgenossen, indem er sich quer vor ihn stellt. Von oben betrachtet, bilden die beiden Hunde nun ein T – daher die Bezeichnung. Der quer vor dem anderen stehende Hund drückt mit diesem Verhalten Dominanz aus. Er will dem anderen imponieren, ihm zeigen, wer der Stärkere ist. Für den blockierten Hund ist das durchaus eine bedrohliche Situation.
Ein Horrorszenario für Welpen
Ähnlich bedrohlich empfinden es manche Hunde, wenn sich ihnen ein Mensch mit nach vorn geneigtem Oberkörper nähert. Die Ursache wurzelt auch hier in den natürlichen Verhaltensmustern von Hunden. Lehnt ein Hund den Körper nach vorn und kombiniert das mit einer steifen Beinhaltung, legt er es auf eine Konfrontation an. Zwar muss es in der Folge nicht unbedingt zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen, aber die Bereitschaft dazu ist auf jeden Fall vorhanden. Gerade bei niedlichen Welpen und Junghunden keimt schnell der Wunsch, sich mit einem Schrei des Entzückens, nach vorn gebeugtem Oberkörper und nach unten ausgestreckten Armen auf den Hund zu stürzen. Nett gemeint, für den Kleinen jedoch ein echtes Horrorszenario. Er fühlt sich bedrängt, ja, überwältigt und reagiert – abhängig von Erfahrungsstand und Temperament – entweder eingeschüchtert oder vielleicht sogar mit Abwehr. Vertrauen lässt sich so nicht schaff en. Das ist jedoch möglich, wenn der Zweibeiner mit gerade aufgerichtetem Oberkörper, entspannt atmend, mit etwas Abstand stehen bleibt und den Welpen mit Stimme und einladenden Gesten dazu auffordert, aus freien Stücken näher zu kommen. Macht er das, sollte sich der Trainer hinhocken und einen Arm ausstrecken, damit der Hund an der Hand schnüff eln kann, bevor er den nächsten Schritt zum engeren Körperkontakt wagt.
Tipp: Auch beim Hocken auf einen möglichst aufgerichteten Oberkörper achten. Keinesfalls weit nach vorn beugen und dem nahenden Welpen womöglich noch entgegenkippen.
Die Schultern
Sie sind ein wahrer Fundus der Körpersprache. Schultern helfen, den Oberkörper für eine Vielzahl unterschiedlicher Signale zu rüsten. Eine einfache Übung verdeutlicht, wie sie auf den Hund wirken: Der Hundeführer lässt den Hund links neben sich stehen. Die Blicke sind nach vorn gerichtet. Nun soll sich der Hund kreisförmig im Uhrzeigersinn um den Trainer bewegen. Um das Ganze mit der Körpersprache zu leiten, stellt man sich vor, die eigene rechte Schulter wäre durch ein unsichtbares Gummiband mit der Nasenspitze des Hundes verbunden. Zur Einleitung der Drehung bewegt sich die rechte Schulter leicht auf den Hund zu, um dann sofort in Richtung Uhrzeigersinn zu weichen, damit der Weg für den Hund frei ist. Die rechte Schulter führt, bis der Hund den Menschen fast umrundet hat. Auf den letzten Zentimetern ist das schwierig, weil die rechte Schulter aus anatomischen Gründen keine Volldrehung bei unverändert positionierten Beinen vollziehen kann. Deshalb erfolgt nur ein schneller Seitenwechsel: Die linke Schulter übernimmt nun die Führung, nachdem der Hundetrainer seinen Oberkörper flink nach links gedreht hat. Wieder an das unsichtbare Gummiband denken, das Schulter und Hundenase miteinander verbindet.
Tipp: Anfangs wird die Drehbewegung zusätzlich von Leinensignalen begleitet, bis der Hund verstanden hat, worum es geht. Auch die Einführung eines Stimmkommandos, zum Beispiel 'Round!', ist denkbar. Dennoch sollte das Ziel dieser Übung sein, den Hund mithilfe der Schultern zu steuern. Das lässt sich später auch auf andere Übungen und sogar Distanztraining ausdehnen. Stichwort: Longenarbeit mit Hunden. Man kann diese Anleihe aus der Ausbildung von Reitpferden mögen oder befremdlich finden. Sicher ist jedoch, dass sich beim Longieren die Signale des Körpers hervorragend trainieren lassen.
Individuelle Longenarbeit
Hundetrainerin Ramona Teschner arbeitet hierbei allerdings nicht nach dem Vorbild der Pioniere dieses Hundesports, die mithilfe von Zelthaken und einem Plastik-Flatterband einen Kreis abstecken. Sie bevorzugt das Freilongieren und setzt es ganz gezielt bei bestimmten Hunden ein. Welpen und Junghunde werden aufgrund ihres noch nicht abgeschlossenen Wachstums davon ausgeschlossen. Longieren ist eine einseitige Belastung, und das könnte sich nachteilig auf junge Gelenke auswirken. Bei Rassen, die vermehrt zur Hüftgelenksdysplasie (HD) neigen, wartet die Trainerin sogar bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr ab und nimmt dann nur HD-freie Hunde mit in die Longenarbeit auf. Und die ist wirklich sehr individuell geprägt – unter anderem von Ramona Teschners Erfahrungen mit Pferden. Alles, was sie dazu braucht, ist eine mindestens fünf Meter lange Longe mit Karabinerhaken. Anfangs sollte die Longe nicht länger sein, weil der Hund bei geringerer Distanz schneller lernt, richtig auf die Körpersignale zu reagieren. Später funktioniert das sicherlich auch mit einer sieben oder acht Meter langen, nicht zu schweren Longe. Bei den ersten Übungsversuchen kann es auch sinnvoll sein, Leckerchen oder das Lieblingsspielzeug des Hundes als Lockmitteleinzusetzen. Ziel sollte jedoch sein, ihn zukünftig mithilfe der Körpersprache zu kontrollieren. Ist dieses Ziel erreicht, ließe sich der Hund theoretisch auch ganz ohne Longe longieren. Dann benötigt er jedoch eine kreisrunde Umgrenzung, die an Reitställen – in Form eines Round Pens oder Longierzirkels – zu finden ist. Im Zweifelsfall funktioniert aber auch ein selbst gebautes Rondell aus Strohballen.
Schultern Steuern
Doch welche Rolle spielen die Schultern hierbei? Eine zentrale. Wenn sie sich absolut parallel zum Hundekörper befinden, signalisieren sie ihm, dass das aktuelle Tempo gut ist und beibehalten werden darf. Dreht sich die zur Hinterhand des Hundes weisende Schulter leicht zum Hund ein, beschleunigt ihn das. Dreht sich hingegen die zum Kopf weisende Schulter leicht gegen die Bewegungsrichtung ein, verlangsamt sie den Hund.
Verstärkt der Trainer die Einwärtsdrehung und macht zusätzlich einen Schritt auf den Hund zu, bleibt er stehen. Das mag wirken wie Zauberei, ist es aber nicht. Hunde reagieren nur ebenso wie Pferde stark auf körperliche Signale. Das Eindrehen einer Schulter hin zum Hund verringert die Distanz zwischen ihm und dem Longenführer in der Mitte. Das erhöht den Druck, und dem weicht der Hund instinktiv aus, wenn er seinen Zweibeiner als Chef anerkennt. Kommt der Druck von hinten, weicht der Hund nach vorn hin aus. Kommt er von vorn, bleibt er stehen. Ganz wichtig: Sobald die gewünschte Reaktion erfolgt ist, sofort wieder zur Normalposition zurückkehren und den Hund loben. Diese Belohnung ist eine Voraussetzung für dauerhaften Lernerfolg. Verharrt der Longenführer in einer den Hund einengenden Körperposition, obwohl der schon reagiert hat, bleibt der positive Impuls aus, und es kommt entweder zu einem Abbruch oder einer Überspitzung des gezeigten Verhaltens. Beides ist schädlich für den Lernerfolg und sorgt beim Hund für Frustration.
Für Fortgeschrittene: Richtungswechsel
Das Spiel mit den Schultern lässt sich übrigens noch weiter treiben. Sie ermöglichen sogar einen Richtungswechsel des Hundes im Longierzirkel. Und das funktioniert so: Der Hund bewegt sich auf der rechten Hand. Sein rechtes Vorderbein zeigt folglich zur Mitte des Kreises. Die Schultern des Hundeführers sind parallel zum Hund ausgerichtet. Um nun einen Richtungswechsel einzuleiten, begibt sich der Ausbilder mit seiner linken Schulter in Bewegungsrichtung leicht vor den Hund und stellt sich vor, diese Schulter und die Nase des Hundes seien mit einem unsichtbaren Gummiband verbunden. Sobald der Hund seinen Kopf zur Mitte hin wendet, bewegt der Trainer seine linke Schulter zurück. Der Hund folgt dieser Bewegung mit dem Kopf und gelangt mit der vorderen Körperhälfte ins Innere des Kreises. Nun setzt der Longenführer seine rechte Schulter als optischen Reiz hinter dem Hund ein, um ihn wieder vorwärtszutreiben. Was anfangs noch von Leinenimpulsen, dem Umgreifen der Leine und Lockmitteln wie Leckerchen oder Spielzeug begleitet wird, funktioniert mit einiger Übung auch ohne all das.
Körperliche Auslastung
Wo der Sinn und Zweck solcher Übungen liegt? Zum einen ermöglichen sie auch weniger aktiven oder gesundheitlich beeinträchtigten Hundehaltern, ihr Tier geistig zu fordern und körperlich auszulasten. Auch Hunde, die dem Leinenzwang unterliegen, lassen sich so ausgiebig bewegen. Zum anderen liegt der Nutzen jedoch vor allem darin, dass der Hund lernt, immer zuverlässiger auf die Körpersprache seines Menschen zu achten und dementsprechend zu reagieren. Das hilft im Alltag gleichermaßen wie bei sportlichen Aktivitäten mit dem Hund. Sei es auf dem Agility-Platz, wo ein spontanes Zeichen des Hundeführers bei der Bewältigung eines kniffligen Parcours wertvolle Punkte sichern kann. Sei es beim Dog Dance, wo ein harmonisches Zusammenspiel von Hund und Mensch gefragt ist. Sei es beim Trick Dogging, der Jagdhunde-Prüfung, der Ausbildung von Rettungs- oder Assistenzhunden. Damit nicht genug. Mittels der Schultern manifestiert sich auch der Unterschied zwischen entschlossenen, siegessicheren Persönlichkeiten und unsicheren, selbstzweiflerischen Zeitgenossen. Leicht zurückgenommene Schultern gehen in der Regel mit einem aufgerichteten Oberkörper und erhobenen Kopf einher. Jemand, der so auftritt, hat klare Ziele und ist bereit, sie auch durchzusetzen. Wie anders wirken dagegen nach vorn hin absinkende Schultern, die oft mit einem nach vorn gebogenen Rücken einhergehen. Sie vermitteln Unsicherheit, ein schlechtes Selbstbewusstsein und mangelnde Entscheidungsfreude.
Text: Gabriele Metz
Inhalte: Ramona Teschner
Fotos: W. Vorbeck
mit freundlicher Genehmigung des VDH